Finanzierungsrunden für Start-ups erreichen Rekordsummen – Berlin weiter Platz 1
Im ersten Halbjahr 2017 haben deutsche Start-ups mehr als doppelt so viel Kapital mittels Finanzierungsrunden eingenommen, wie im selben Zeitraum des vorherigen Jahres. Die Gesamtsumme stieg dabei von 972 Millionen Euro auf 2,16 Milliarden Euro. Die Anzahl der Finanzierungsrunden stieg ebenfalls um sechs Prozent auf 264 an.
Mit diesen offiziellen Zahlen ist der einstige Rekordwert aus dem ersten Halbjahr 2015 hinfällig. Zu jener Zeit waren bei insgesamt 155 Finanzierungsrunden 1,95 Milliarden Euro in junge deutsche Unternehmen geflossen. Nach wie vor ist Berlin Deutschlands Start-up-Hauptstadt.
Die dort ansässigen Unternehmen konnten ein Investitionsvolumen von rund 1,5 Milliarden Euro für sich verbuchen. In Relation zum gesamten Investitionsvolumen entspricht diese einem Anteil von 68 Prozent. Bayern und Hamburg belegen mit 213 Millionen Euro bzw. 178 Millionen Euro den zweiten und dritten Platz.
Ursache für den Investitionsanstieg
Grund für den deutschlandweiten Investitionsanstieg war der 387-Millionen-Einstieg des südafrikanischen Investors Naspers beim Berliner Essenslieferdienst „Delivery Hero“ im vergangenen Mai. Der Autogroßhändler „Auto1“ konnte ebenfalls im Mai 360 Millionen Euro von verschiedenen Investoren locker machen. Die Studienergebnisse wurden von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) veröffentlicht. Basis für die Studie war eine Analyse der Risikokapitalinvestitionen in Deutschland.
EY-Partner Peter Lennartz erläuterte in diesem Zusammenhang, dass die deutsche Start-up-Szene im ersten Halbjahr dieses Jahres sich „sehr lebhaft“ entwickelt habe. Ein Grund dafür sei seiner Auffassung nach, dass im Vorjahr „Mega-Deals“ vollständig gefehlt hätten. Zudem sei laut Lennartz die Finanzierung in die Breite gegangen, wodurch zunehmend mehr deutsche Start-up-Unternehmen neues Kapital erhalten würden. Die Zahl der Wachstumsunternehmen, die eine Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen konnten, sei um 19 von 241 auf 260 angestiegen.
Investoren vertrauen in Wachstumschancen der Start-ups
Außerdem in Lennartz der Meinung, dass das erste Halbjahr zeige, wie Investoren in die Skalierbarkeit sowie in die Wachstumschancen der deutschen Start-up-Szene vertrauen. Das betreffe inländische sowie ausländische Venture-Capital-Gesellschaften gleichermaßen. Zudem leisten laut Lennartz landeseigene Fördergesellschaften einen wichtigen Beitrag. Durch den Börsengang von „Delivery Hero“ im Juni könnte die Branche zusätzlichen Rückenwind bekommen haben. Mit einem Emissionsvolumen von 996 Millionen Euro gilt das Unternehmen als der größte IPO im laufenden Jahr in Deutschland.
Lennartz wertete in seiner Stellungnahme allerdings nicht nur die „Mega-Deals“, sondern auch die große Anzahl an kleineren Investitionsgeschäften als ein positives Zeichen. Im ersten Halbjahr seien demnach 138 Finanzierungsrunden mit einem Volumen zwischen ein und fünf Millionen Euro erfolgreich abgeschlossen worden. Für die Zukunft sieht der EY-Partner ein großes Potential.
Nordrhein-Westfalen und Bayern liegen hinter Berlin
Mit weiterhin großem Abstand konnte sich die Bundeshauptstadt Berlin gegenüber den anderen Start-up-Regionen behaupten. Dort ansässige Jungunternehmen erhielten insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Davon entfielen knapp 747 Millionen Euro auf die Investitions-Deals von „Auto1“ und „Delivery Hero“. Mit 116 Transaktionen in Berlin wurde fast der Vorjahreswert von 117 erreicht.
Mit 44 Finanzierungsrunden und 213 Millionen Euro behauptet sich Bayern auf dem zweiten Platz. Während das Volumen dort um acht Prozent anstieg, wuchs die Zahl der Deals um fünf Prozent. 22 Finanzierungsrunden konnte Hamburg für sich verbuchen. Dort hat sich das Investitionsvolumen von 53 Millionen Euro auf 178 Millionen Euro verdreifacht. Einen Rückgang musste Nordrhein-Westfalen einstecken. So sank das Investitionsvolumen bei 18 Finanzierungsrunden um 27 Prozent auf 54 Millionen Euro. In Baden-Württemberg beheimatete Start-ups erhielten 67 Millionen Euro von Investoren. Das entspricht einem Wachstum von 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Lennartz Beobachtungen zufolge habe sich das Ökosystem für Stard-ups bundesweit weiterentwickelt. Auch wenn Berlin seinen Vorsprung ausbauen konnte, ziehen andere Bundesländer zunehmend stärker nach. Dennoch sieht der EY-Partner insbesondere bei den Rahmenbedingungen nach wie vor Nachholbedarf. Wenige Möglichkeiten im steuerlichen Bereich sowie fehlgeschlagene Investitionen wirken sich nachteilig auf den Wettbewerb aus. Weitere negative Einflussfaktoren seien hohe Gründungskosten sowie enorm hohe bürokratische Hürden. Deutschland sei deshalb im Vergleich zu anderen Ländern weniger attraktiv.
E-Commerce-Unternehmen genießen hohen Stellenwert
In den ersten sechs Monaten wurde das meiste Geld in E-Commerce-Unternehmen investiert. Dieser Bereich wurde von den Investoren mit insgesamt 939 Millionen Euro unterstützt. Im Vorjahr waren es lediglich 144 Millionen Euro. FinTech-Unternehmen konnten ihr Investitionsvolumen von 230 auf 332 Millionen Euro steigern. Im Health-Bereich war mit einem Kapitalzufluss von 253 Millionen Euro ebenfalls ein hoher Anstieg zu beobachten. Der Energie-Sektor wurde hingegen mit weniger Investitionen bedacht und muss sich mit fast 50 Prozent weniger Investitionsvolumen auseinandersetzen.