Reishunger – oder: Bremer Geduld
Das Unternehmen Reishunger – aus den Gefilden der wunderschönen Hansestadt Bremen entsprungen – ist eigentlich im klassischen Sinn kein Start-Up mehr. Sowohl Produktauswahl im Onlineshop (mehr als 200), als auch Umsatz (fängt mit einem großen M an), als auch Gründungsjahr (2010) und auch Zahl der Mitarbeiter (50) geben eigentlich alle Aufschluss darauf, dass es schon zu der Spezies der neuen Generation des berühmt-berüchtigten deutschen Mittelstands zählt.
Doch irgendwie will dieses Bild bei der lockeren, flockigen Art der Gründer Sohrab und Torben (beide Anfang 30, wirken und fühlen sich selbst wie twentysomething) einfach nicht passen. Die beiden haben das Wunderwerk verbracht, ein gesundes und zukunftsträchtiges mittelgroßes Unternehmen aufzubauen- und doch alles irgendwie im Startup-Modus zu belassen. Nicht, was die Organisation angeht- denn hier lassen sie keinen Zweifel an ihrer Reife. Doch für den unternehmerischen Jugendstil bei Reishunger spricht -neben dem typischen industrie-charmanten Räumlichkeiten in der Bremer Überseestadt- vor allem die gechillte Firmenkultur, die man in diesen erleben darf. Ich nenne es mal Bremer Entspanntheit des Gründerdaseins (okay ich gebe zu, da ich Lokalmatadorin bin, neige ich da zur leichten Objektivitätsverzerrung, aber in diesem Fall stimmt es wirklich!).
Nun frage ich mich, was zum verflixten Roland macht diese Jungs eigentlich so locker? Was lässt ein sechs Jahre altes Unternehmen noch die Start-Up Luft ihrer jüngsten Tage ausstrahlen?
Hier meine bescheidene Theorie: 1. Keine Investoren 2. Kein Wachstumsstress
Die beiden Gründer waren noch vor der Zeit unterwegs, in der es wie heute um „raketenartige Geschwindigkeit“ beim Unternehmensaufbau ging. Nicht selten hören wir inzwischen Stimmen von Gründern, die bei einem höchst bekannten deutschen Company-builder „unter Vertrag“ genommen wurden, und von un-unternehmerischen, utopischen Wachstumsvorgaben, Umsatzzielen und Exitdruck berichten.
Nicht doch in Bremen. Hier sollte das Start-Up Reishunger nicht sofort fliegen, sondern erst einmal krabbeln lernen, dann aufstehen, dann noch mehr lernen, dann eben laufen. Und dafür läuft’s jetzt eben schon seit Jahren. Extrem gut.
Statt wertvolle Gründerzeit in die Investorensuche zu investieren, steckten die Gründer ihren E-Lan lieber in die Suche sinnvoller Projekte, die sie mit ihrem Unternehmen verbinden konnten. Sie fanden es und unterstützen das Projekt „Care“, das in Laos aktiv ist und dort Ernährungsprojekte leitet.
Nachhaltigkeit statt Gründereitelkeit.
Das mit der Finanzierung klappte bei Reishunger übrigens trotzdem: Dank einer generösen Förderung des ansonsten am Start-Up Sternenhimmel nicht sehr leuchtend vertretenen kleinsten Bundeslands Bremen. Und dank den nicht unbedingt für ihre locker sitzenden Geldbeutel bekannten Banken– dies zumindest in Bezug auf die Vergabe von Taschengeld für Jungunternehmen. Geht also doch. Und das geflossene Kapital konnte inzwischen zurückgezahlt werden. Bremer Geduld.
Reishunger jedenfalls, mit ihrem kleinen Reisladen von um die Ecke, haben inzwischen 22 Reissorten aus 14 Ländern im Angebot. Tendenz steigend. Die Welteroberung passiert Schritt für Schritt.
Ich ziehe den Hut und wünsche viel Erfolg!